Institute, die rund um die Kernforschung angesiedelt worden sind, nutzen Know-how und Infrastruktur über Disziplingrenzen hinweg und bilden neue
Schwerpunkte. Zum besonderen Erfolgsmodell wird die Festkörperforschung. Das Verständnis von Festkörpern ermöglicht die Veränderung von Materialeigenschaften, zum Beispiel durch Strahlung. So lassen sich Werkstoffe kontrolliert ändern oder neue herstellen.
Die Strukturen in Jülich werden in den 1970er Jahren offener und demokratischer. Der 1958 geschaffene Wissenschaftliche Rat (WR), später Wissenschaftlich-Technischer Rat (WTR), institutionalisiert etwa die Beteiligung in Instituten und an Projekten.
1978 gelangen durch eine Leckage im Dampferzeuger 27 m³ Wasser in den AVR-Versuchsreaktor. Die AVR GmbH meldet diesen Störfall umgehend den
Aufsichtsbehörden in Land und Bund, untersucht den Störfall und nimmt den Reaktor zur Reparatur für 15 Monate außer Betrieb.
Da das Bewusstsein für Umweltschutz und die Risiken der Kernenergie wächst, bilden sich neue Programmgruppen, die sich mit den Wechselwirkungen von Umwelt, Technik, Mensch und Gesellschaft beschäftigen.
Gesellschaftlicher Wandel
"Die Grenzen des Wachstums" - eine Studie des Club of Rome von 1972 – sensibilisiert für die Folgen des technisch-industriellen Fortschritts.
Umweltzerstörung, Ressourcenknappheit und soziale Konflikte erfordern auch eine Neuausrichtung der naturwissenschaftlich-technischen
Forschung. Reaktorsicherheit – ein Thema, mit dem die Atomforschung sich von Beginn an beschäftigt – gewinnt an Bedeutung, denn Kernenergie
gerät zunehmend in die Kritik.
In Wyhl in Baden-Württemberg protestieren Anwohner 1975 gegen ein geplantes Atomkraftwerk. Nahezu 30.000 Atomkraftgegner besetzen neun Monate lang das Gelände und verhindern den Bau. Die Anti-Atomkraftbewegung (Anti-AKW) gewinnt in den folgenden Jahren viele Anhänger und zählt mit der Umwelt- und Friedensbewegung zu den einflussreichen sozialen Bewegungen der Bundesrepublik. Die öffentlichen Haushalte werden knapper, der Wunsch nach zentraler Planung und Steuerung wächst. Forschungseinrichtungen unterliegen einer verstärkten Erfolgskontrolle. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie richtet im Rahmen einer gezielten Energieforschung ab 1974 Projektträgerschaften für das Management von Förderprogrammen ein und siedelt sie in Großforschungseinrichtungen wie in Jülich an.
Bilderstrecke
Bilderstrecke: Jeweils von links nach rechts in den Reihen von oben nach unten:
Einweihung der Fachhochschule Jülich mit Leo Brandt (links), 1970.
Herzuntersuchung einer liegenden Patientin unter Belastung mit einem Fahrradtrainer, ca. 1960.
Montage von Bauteilen im Reinraum der Zentralabteilung für Technologie, ZAT, ca. 1980.
Indonesische Gastwissenschaftlerin im IBT bei der Arbeit, 1977.
Mitarbeiter an der Versuchsanlage JUPITER (Große Heiße Zellen), 1978.
Pflanzenforschung mit Apfelbäumen, ca. 1970.
Der 100.000. Besucher (bzw. Besucherin) bekommt einen Blumenstrauß an der Hauptpforte überreicht, 1973. Mitarbeiter am Steuerpult einer technischen Anlage, ca. 1980.
Gästehaus der Kernforschungsanlage im Rohbau, 1973.
Copyright aller Bilder: Forschungszentrum Jülich
Daten
1970 | Institut für Festkörperforschung (IFF) wird gegründet |
1971 | Erstmals wird in Jülich ein 100 Millionen Grad heißes Plasma erzeugt, eine Voraussetzung für die Verwirklichung der Kernfusion |
1973 | Zentralabteilung Allgemeine Technologie wird gegründet |
1974 | "Projektleitung Energieforschung" als erstes Projekt der Projektträgerschaft Jülich (PtJ) |
1975 | Institut für Medizin erhält eigene Station für Patienten |
1977 | Institut für Biotechnologie (IBT) geht aus dem Institut für Botanik und Mikrobiologie hervor |
1978 | Kälteweltrekord in der Tiefsttemperaturanlage des IFF mit 50 Mikrokelvin ermöglicht die Erforschung bisher unbekannter physikalischer Effekte von Materialien, z.B. die Supraleitung |
1978 | Einrichtung der Programmgruppe "Kernenergie und Umwelt" |